Die fünfte MEMO (Multidimensionaler Erinnerungs-MOnitor)-Studie fragt erstmals nicht telefonisch, sondern online. Anstelle der erwachsenen Allgemeinbevölkerung gehen die Fragen gezielt an junge Menschen im Alter zwischen 16 und 25 Jahren. Zugleich wurden die Teilnehmer*innen zweimal mit einem Abstand von einem Jahr befragt. 3.485 repräsentativ ausgewählte junge Menschen nahmen an der ersten, 838 davon an der zweiten Befragung teil.
Durch die Abfrage von Bedarfen und Anliegen soll u.a. die Ausgestaltung gegenwärtiger und zukünftiger historisch-politischer Bildungsarbeit Orientierung bekommen. Das betrifft zunächst schulische Bildung, aber auch darüberhinaus berufsbildende und universitäre Bildung.
Zentrale Befunde
82,6% der Befragten nannten mit Abstand an erster Stelle von besonders wichtigen Ereignissen oder Zeitläufen den "Kontext Zeit des Nationalsozialismus". An zweiter Stelle steht der "Kontext des Ersten Weltkriegs" mit 35,6%.
Allgemein wichtig, sich als Gesellschaft mit "unserer eigenen Vergangenheit" auseinanderzusetzen, fanden 84,8% (zumeist sehr wichtig, oder eher wichtig). Von den ausgewählten historischen Kontexten fanden die Befragten vor allem "Zweiten Weltkrieg" und "Zeit des NS" als "Teil der deutschen Erinnerungskultur" wichtig.
In der Kategorie "Die Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte" zeigen sich leider Trends, die schon in dem bekannten Buch "Opa war kein Nazi" zum Ausdruck kommen, auch wenn nicht mehr so stark. Auf die Frage "Waren Vorfahren von Dir unter den Täterinnen oder Tätern während der Zeit des NS?" antworteten 62,4% mit Nein und 9,4% nur mit Ja. Bei der ein Jahr zuvor stattgefundenen Vergleichsstudie hatten noch knapp ein Viertel mit Ja geantwortet.
Ernüchternde Befunde bezüglich Veranstaltungen mit Zeitzeug*innen

Etwas ernüchtert schaut man auf die Kategorie "Wie häufig hast Du bisher die folgenden Dinge getan, um Dich mit dem Thema Nationalsozialismus auseinanderzusetzen?" An vorletzter Stelle rangiert "Veranstaltung mit Zeitzeug*innen besucht". 56,7% hatten dies nie getan. An erster Stelle stand - wahrscheinlich schulisch bedingt und erklärbar - "Texte oder Videos im Internet gelesen/ geschaut" mit 90%.
Bei der Frage "Welche Möglichkeit, sich mit der Zeit des NS zu beschäftigen, hat dir persönlich am meisten gebracht?" meinten knapp 10% der Befragten "Berichte von und Interviews mit Zeitzeug*innen". An erster Stelle standen Dokumentationen, Spielfilme und Serien mit 42,6%.
Jedoch steigt die Bedeutung "Kontakt zu Zeitzeug*innen" bei der Frage nach sinnvoller Gestaltung von Schulunterricht zur NS-Zeit mit einem guten Mittelwert von 12,6%. "Historische Orte besuchen" fanden 22,6% an erster Stelle relevant.
Die "bystanders"
Als besonders wichtigen Aspekt in Bezug auf die NS-Zeit fanden 35,4% mit dem höchsten Ergebnis "Die Rolle der 'unbeteiligten' bzw. nicht verfolgten deutschen Bevölkerung". Das ist erfreulich, auch auf dem Hintergrund des bekannten Buches von Géraldine Schwarz über "Die Gedächtnislosen", in dem sie über die "Mitläufer" in dern NS-Zeit einiges aussagt.
Insgesamt zeigen sich die befragten 16- bis 25-jährigen eher interessiert am Thema Geschichte. Und sie zeigen sich an der NS-Geschichte interessierter als Teilnehmer*innen einer vergleichbaren Stichprobe aus der deutschen Allgemeinbevölkerung.