GENUG ERINNERT?


Das Sterben der Zeitzeug*innen beschäftigt auf verschiedenen Ebenen. Die Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit in Hessen lud nun zu einer Podiumsdiskussion ins Gallustheater. Vertreter*innen aller demokratisch ausgerichteten Parteien in Hessen, sprachen darüber, was eine funktionierende Gedenkarbeit zur NS-Zeit braucht. Die anfangs sehr engagierte, später sehr zurückhaltende Moderation übernahm der Journalist Ludger Fittkau.
Doch zunächst übernahm es Dr. Thomas Lutz, scheidender Leiter des Gedenkstättenreferats der Stiftung Topographie des Terrors, einen historischen Abriss über die Entwicklung von Zeitzeugenschaft und Gedenkstätten als authentischen Orten zu geben.
Am Ende betonte er, dass nach zwei, drei Generationen Erinnerung verlorengehe, doch Institutionen könnten Geschichte weitertragen.
Dikussion
Die nun vorgestellten Politiker*innen waren sich in der Wichtigkeit von einer zeitgemäßen Erinnerungskultur weitgehend einig. Manchmal brach der Wahlkampf durch, vor allem beim Vertreter der FDP, Dr. Stefan Naas, der unnötige Sticheleien von sich gab, sich aber selbst nicht immer faktensicher zeigte.
Tobias Utter wies auf die Wichtigkeit von Gedenkstättenarbeit im Landesprogramm der CDU hin.
Christoph Degen, hessischer Generalsekretär, sah ein Wegbrechen von lange gehaltenen Strukturen, die sich besonders beim Abnehmen von ehrenamtlichem Engagement zeige. Das fehle besonders den kleinen Gedenkstätten, da diese i.d.R. ehrenamtlich geführt werden.
Nur die Gedenkstätte Hadamar und die Gedenkstätte Breitenau werden institutionell gefördert, nicht projektbezogen.
Martina Feldmayer von B 90 Die Grünen, (MdL) welche sich vor allem konkret für die Gedenkstätte Kalmenhof Idstein engagiert, wies auf die Notwendigkeit einer zeitgemäßen Erinnerungskultur hin. Dabei müsse mit Initiativen vor Ort zusammen gearbeitet werden.
Demgegenüber sprach sich Dr. Stefan Naas für zentrale Gedenkstätten aus, wie z.B. Hadamar, und nicht für die Breite.
Jan Schalauske (MdL Linke) brachte vor allem das Thema Zwangsarbeit ins Spiel, am Beispiel Stadtallendorf. Er betonte eine Erinnerungskultur von unten.
Dr. Ann Katrin Düben (Gedenkstätte Breitenau) stellte kurz die Gedenkstätte vor, die 1933-1934 KZ war, später ein Zwangslager der Gestapo. Entgegen der Meinung von Dr. Naas, FDP machte sie sich - ähnlich der Linken - für eine sinnvolle dezentrale Erinnerungskultur stark.
Dr. Lutz wies noch einmal auf die unterschiedlichen Verfolgungskomplexe hin, wie Juden und Shoah, Sinti und Roma, Homosexuelle oder Zwangsarbeit. Es sei unsere Entscheidung, welche Themen wichtig sind.
Offene Fragen

In der dann - nach knapp zwei Stunden - geöffneten Fragerunde wurden einzelne Aspekte noch einmal verstärkt.
So wurde auch auf das erste Denkmal für Deserteure in Marburg hingewiesen.
Die Frage nach den Tätern und Mitläufern kam auf. Was lässt sich in der Beschäftigung damit lernen?
Insgesamt war es eine inspirierende Veranstaltung, die vielleicht eine halbe Stunde zu lang war. Jedenfalls wurde die Bedeutung einer zeitgemäßen Erinnerungskultur zur NS-Zeit - wenn auch mit unterschiedlichen Vorstellungen - betont.